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Wie Hersteller mit Pure-Playern umgehen sollen – Interviewreihe 3 von 4 mit Prof. Dr. Dirk Morschett

von Markus Fost am 5. Januar 2015

Univ.-Professor Dr. Dirk Morschett ist Professor für Management an der Universität Fribourg/Schweiz. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich des Internationalen Managements sowie des Handelsmanagements, insbesondere Online-Handel, Betriebstypen und Retail Branding. Zu diesen Themen hat er zahlreiche Bücher und Artikel verfasst. Daneben ist er auch als Referent, Moderator und Berater in diesen Themenbereichen aktiv.

Markus Fost: Pure-Player wie Amazon können für einen Hersteller Fluch und Segen zugleich sein. Derartige Marktplätze dominieren die E-Commerce-Landschaft zunehmend. Die Entscheidung, Amazon als Hersteller direkt zu beliefern, bietet wohl die höchsten Umsatzchancen im E-Commerce. Gleichermaßen begibt sich der Hersteller damit in ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis und steuert damit auf den „point of no return“ zu. So wurde Amazon für viele Markenhersteller aus dem Stand heraus der größte Kunde in Deutschland. Der Umgang mit Pure-Playern ist in Bezug auf die Online- Umsatzchancen eines Markenherstellers eines der wichtigsten Elemente einer ECommerce- Strategie.

Prof. Dr. Dirk Morschett: Zu dieser These stimme ich zu. Allerdings ist Amazon auch ein äußerst riskantes Element der E-Commerce-Strategie. Nicht ohne Grund versuchen einige Hersteller, den Verkauf über Amazon auszuschließen. Wenn der Hersteller also selbst aktiv über Amazon vertreibt, ist ein späterer Ausschluss der Händler, diesen Vertriebskanal zu nutzen, wohl nicht mehr möglich. Wenn man also nicht möchte, dass die Händler bei Amazon verkaufen, dann gibt es die Option, selbst über Amazon zu verkaufen, nicht mehr. Die Gefahr bleibt natürlich, dass die Händler Amazon beliefern. Diese kann ich ohne selektives Vertriebssystem ohnehin nicht vermeiden. Sollte dies der Fall sein, kann sich ein Hersteller natürlich fragen, ob es nicht sinnvoll ist, über Amazon zu verkaufen. Anstatt Amazon direkt zu beliefern, halte ich es für die ehrlichere Variante, deren Marketplace zu nutzen und gegenüber den Händlern offen damit aufzutreten. Auf diesem Weg hat ein Hersteller zumindest die Preisgestaltung auf diesem Kanal selbst in der Hand.

Markus Fost: Welche Vorgehensweise empfehlen Sie Herstellern hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit Amazon?

Prof. Dr. Dirk Morschett: Ein Hersteller sollte aus meiner Sicht auch als Anbieter auf dem Marketplace von Amazon agieren, jedoch Amazon nicht direkt beliefern, da Amazon die zur Verfügung gestellten Informationen gegen den Hersteller verwenden kann, indem er bei hoher Nachfrage Konkurrenzprodukte etabliert oder auch Eigenmarken forciert, wie am Beispiel Amazon Basics oder dem Kindle ersichtlich ist. Ein kontrolliertes Anbieten über den Amazon Marketplace kann aus meiner Sicht auch der Handelsorganisation kommuniziert werden, da man als Hersteller in diesem Modell quasi mit gleichlangen Schwertern arbeitet wie die anderen Händler und die gesamte Preisgestaltung des Herstellers im Sinne des Handels erfolgen kann.

Markus Fost: Halten Sie eBay bzw. einen eBay-Markenshop für einen geeigneten Marktplatz für Hersteller?

Prof. Dr. Dirk Morschett: Für eBay sehe ich es ähnlich wie bei Amazon. Viele gewerbliche Kunden nutzen eBay bereits seit mehreren Jahren als Beschaffungskanal. Amazon testet in den USA zwar Amazon Supply für gewerbliche Kunden, hat jedoch in Deutschland noch bei Weitem nicht die Verbreitung wie eBay. Die Produkte eines Markenherstellers werden ohnehin auf eBay angeboten. Insofern empfehle ich Markenherstellern, einen eBay-Markenshop aufzubauen. Hinsichtlich des Einstiegszeitpunktes bei eBay halte ich es für plausibel, diesen simultan zu Amazon zu wählen.

Markus Fost: Die disruptiven Veränderungen der Konsumenten und Medienlandschaften führen dazu, dass die Beschaffung von Gebrauchs- und Konsumgütern zunehmend über das Internet erfolgt. Während viele Hersteller mit einer klassisch stationären Handelsstruktur diesen Trend zwar feststellen, fürchten sie gleichermaßen die Sanktionen des Handels. Hersteller, die keine Lösung dieser Problematik haben, werden unweigerlich Marktanteile verlieren.

Prof. Dr. Dirk Morschett: Sehe ich nicht vollständig so, denn wenn der Kunde die Ware möchte, dann bekommt er diese auf einem bestimmten Kanal. Ich denke daher, dass es von der Markenstärke abhängt, inwieweit ein Hersteller dadurch Marktanteile verliert. Da der Online-Anteil in Deutschland im Durchschnitt bei ca. 15 % über alle Produktgruppen liegt, glaube ich nicht, dass der Marktanteilsverlust durch eine suboptimale Bedienung der Online-Kanäle signifikant ausfallen würde.

Markus Fost: Wie können Hersteller dem Dilemma der vorgenannten These entgegentreten?

Prof. Dr. Dirk Morschett: Stand heute darf man den stationären Händler nicht vor den Kopf stoßen, da dieser je nach Branche ca. 85 % des Umsatzes distribuiert. Ein Hersteller sollte daher mit seiner Online-Markenpräsenz eine hervorragende Informationsfunktion bieten, hinsichtlich des Kaufabschlusses jedoch mittels eines Commerce- Connectors den Kunden bzw. Auftrag zum Händler routen. Der Fachhandel wird solche Lösungen begrüßen. Man könnte beim Auftragsrouting – ceteris paribus – auch den stationären Händler etwas besser bewerten als den Pure-Player und somit bevorzugt behandeln. Natürlich sollten die Pure-Player wie z. B. Amazon auch mit aufgelistet werden, aber eben hinter dem jeweilig regionalen Fachhandelspartner. Die Option, dass sämtliche Fulfillment-Prozesse durch den Hersteller abgewickelt werden und der Handel eine Provision für den Auftrag erhält, ohne faktisch in dem Verkaufsprozess mit eingebunden zu sein, bewerte ich als „Second-Best“-Lösung. Die Handelsorganisationen werden feststellen, dass dies ein noch stärkerer Schritt ist, an ihnen orbeizugehen, und ein solches Vorgehen auch dementsprechend bewerten. Diese Option habe ich bereits mit diversen Verbundgruppen diskutiert. Der Fachhändler vor Ort wird eine solche Lösung sicherlich nicht verneinen, sich jedoch auch fragen, wie lange er vom Hersteller dafür eine Provision erhält. Hier ist das Vertrauen in die Nachhaltigkeit eines Auftragsroutings zum Händler doch deutlich größer. Zudem werden dann auch Händler belohnt, die über den physischen Lagerbestand verfügen.

Markus Fost: Im Rahmen welcher Organisationsform empfehlen Sie Herstellern die Eingliederung des Bereichs E-Commerce?

Prof. Dr. Dirk Morschett: Hier gilt aus meiner Sicht der Grundsatz: „Structure follows Strategy“. Ein Hersteller muss sich zunächst die Zielsetzung des Online-Auftritts insgesamt überlegen. Hiervon sollte abhängig gemacht werden, ob eine integrierte oder autarke Organisationseinheit die bessere Wahl ist.

Quelle: Markus Fost, E-Commerce Strategien für produzierende Unternehmen, Springer-Gabler (2014)

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