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E-Commerce Geschäftsmodelle zwischen Handel und Hersteller – Interviewreihe 1 von 4 mit Dr. Georg Wittmann

von Markus Fost am 17. November 2014

Dr. Georg Wittmann, Dipl.-Kfm., studierte von 1997 bis 2002 Betriebswirtschaftslehre an der Universität Regensburg mit den Schwerpunkten Bankinformatik, Finanzierung und Statistik. Von 1999 bis 2002 war er nebenberuflich im Business Development/Marketing bei Consors Discount-Broker tätig. Nach Abschluss seines Studiums war er bis 2005 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bankinformatik an der Universität Regensburg. Seit 2005 ist er Senior Consultant und Projektleiter bei ibi research an der Universität Regensburg.

Markus Fost: Kooperative E-Commerce-Geschäftsmodelle zwischen Hande und Hersteller stellen die einzige handelsverträgliche E-Commerce-Strategieoption für substituierbare, produzierende Unternehmen mit einer stationären Handelsstruktur dar, die nicht mit dem Risiko behaftet ist, temporär massiv Umsatz im stationären Handel zu verlieren.

Dr. Georg Wittmann: Dieser These stimme ich vollumfänglich zu.

Markus Fost: Welches E-Commerce-Geschäftsmodell schlagen Sie einem Hersteller aus einer Branche mit einem niedrigeren E-Commerce-Reifegrad vor, die von einer stationären Fachhandelslandschaft dominiert wird?

Dr. Georg Wittmann: Herstellern aus einer Branche mit einem niedrigen E-Commerce-Reifegrad würde ich empfehlen, je nach Vertriebsstruktur, einen eigenen Webshop zu etablieren. Um das Verhältnis zum Handel nicht zu schwächen, wäre es auch hier sinnvoll, einen Rahmenauftritt zu schaffen, in dem der Handel integriert wird bzw. zumindest auf den Handel verlinkt wird.

Markus Fost: Gibt es aus Ihrer Sicht neben kooperativen E-Commerce-Geschäftsmodellen weitere strategische Optionen, die ein Hersteller in Erwägung ziehen kann, ohne zugleich ein unkalkulierbares Risiko einzugehen, temporär massive Umsatzrückgänge durch stationäre Auslistungen hinzunehmen?

Dr. Georg Wittmann: Neben den kooperativen E-Commerce-Geschäftsmodellen gibt es aus meiner Sicht keine weiteren Strategieoptionen, von denen sowohl Hersteller als auch Handel gleichermaßen profitieren können. Intersport und Expert haben hier einen guten Weg gefunden, den Handel zu unterstützen.

Markus Fost: Wenn Sie ein zusammenfassendes Resümee ziehen, welche strategischen Handlungsoptionen haben sich bei Markenherstellern mit einer vorwiegend stationär ausgeprägten Handelslandschaft als besonders erfolgreiche E-Commerce- Strategie erwiesen?

Dr. Georg Wittmann: Bei vielen Herstellern, die aus dem stationären Umfeld kommen, hat sich gezeigt, dass Rahmenauftritte, in denen auf den Händler verwiesen wird bzw. der Auftrag an diesen weitergeleitet wird, Erfolg versprechend sind. Die Firma Kärcher als Beispiel hat hier einen gangbaren Weg aufgezeigt. Je nach Produkt kann es auch sinnvoll sein, anfänglich Marktplätze zu integrieren. Gegebenenfalls sollte auch eine langfristige Zusammenarbeit mit Marktplätzen wie Amazon und eBay erfolgen.

Markus Fost: Mit welchen Risiken sehen Sie produzierende Markenhersteller hinsichtlich einer E-Commerce-Strategie konfrontiert und wie würden Sie diesen entgegentreten?

Dr. Georg Wittmann: Ein Fehler, der häufig begangen wird, ist es, vorschnell Aktivitäten im E-Commerce-Segment zu starten, ohne eine gut überlegte Strategie zu haben. Wichtig ist es also, klare Ziele in einem Strategiekonzept festzulegen, die mit erfahrenen E-Commerce-Experten diskutiert werden sollten. Ein weiteres Risiko ist es, als produzierendes Unternehmen den Facheinzelhandel nicht mit einzubinden. Die Händler sollten daher von vornherein ins Boot geholt werden. In der Umsetzung ist ein striktes Controlling wichtig, um sowohl die zeitlichen als auch die Budgetziele nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. Schwierig ist es, auch einen Dienstleister zu finden, der eine agenturneutrale Beratung leisten kann. Die meisten Beratungsanbieter haben in diesem Segment eine Agentur bzw. einen Softwaredienstleister im Rücken und versuchen nicht selten auf eine opportunistische Art und Weise, die Beratung in deren gewünschte Richtung zu leiten. Es ist oftmals nicht zielführend, wenn die Entscheidungen auf solche Folgeprodukte hin optimiert werden. Am Beispiel der Entscheidung für ein Shopsystem sieht man diese Tendenz sehr deutlich. Jede Agentur hat ein von ihr präferiertes Shopsystem. Wird eine solche Agentur mit der Beratung beauftragt, versucht sie auch, ihr Shopsystem durchzusetzen, unabhängig davon, ob es die richtige Lösung für das Unternehmen ist.

Markus Fost: Welche Tipps und Empfehlungen können Sie produzierenden Unternehmen hinsichtlich derer E-Commerce-Strategie abschließend mit auf den Weg geben?

Dr. Georg Wittmann: Hier habe ich mir zwei Punkte notiert, die ich als sehr wichtig empfinde: Produzierende Unternehmen sollten sich zunächst mit ihren Händlern unterhalten und eine Marktuntersuchung anstellen, um festzustellen, wie ihr Produkt im E-Commerce verkauft wird. Wichtig ist es, zu identifizieren, von wem die Produkte des Herstellers zu welchen Preisen angeboten werden. Des Weiteren ist es wichtig, sämtliche Aktionen mit sehr viel Bedacht vorzunehmen. Alles auf einmal zu tun, ist meistens zu viel. Daher sollte die Strategie ein Phasenmodell vorsehen und bei der Implementierung in Stufen vorgegangen werden. Mit allen Marktplätzen und Optionen in allen Ländern gleichzeitig zu starten, geht meistens schief. Daher sollte ein Hersteller unbedingt dem Markt zuhören und Schritt für Schritt vorgehen.

Quelle: Markus Fost, E-Commerce Strategien für produzierende Unternehmen, Springer-Gabler (2014)

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