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Strategische Optionen für den Online-Markenauftritt – Interviewreihe 2 von 4 mit Marcus Diekmann

von Markus Fost am 3. November 2014

Marcus Diekmann ist Mitgesellschafter und Geschäftsführer von SHOPMACHER eCommerce für Marken. SHOPMACHER konzentriert sich auf die wichtigen Kernthemen, die für Marken und Multi-Channel-Händler relevant sind, wenn diese im E-Commerce erfolgreich arbeiten wollen. Das beginnt bereits vor der eigentlichen Konzeption und Umsetzung eines Online-Shops mit der betriebswirtschaftlichen und prozessorientierten Beratung der Unternehmen. Zusätzlich deckt SHOPMACHER die Bereiche Design und technische Umsetzung ab und betreut hier unter anderem den Schwab-Versand, Matratzen Concord, Schiesser, Zippo, Jones Fashion und Hülsta.

Markus Fost: Endverbraucher erwarten heutzutage das gesamte Produktportfolio eines Herstellers auf deren Online-Markenauftritt und möchten neben einer stationären Händlersuche auch online möglichst ohne Medienbruch zum Kaufabschluss gelangen.

Marcus Diekmann: Richtig, da stationär nur ein begrenztes Produktportfolio eines Markenherstellers angeboten werden kann und gerade diese Beschränkungen des Sortiments durch den Online-Handel aufgehoben werden sollen. Bei Direktvertreibern, wie z. B. Vorwerk, kommt es jedoch zu Einschränkungen im Warensortiment, die allerdings keiner logischen Natur entsprechen, sondern aus vertragsrechtlichen Verbindlichkeiten gegenüber deren Vertretern resultieren. Auch diese könnten aufgelöst werden, indem die Vertreter auch für Online-Käufe Provisionen erhalten bzw. die Auslieferung des Produktes, sofern es der Endkunde wünscht, durch den Vertreter erfolgt. Online-Sortimente zu beschränken, ist jedenfalls in keinem Fall für Hersteller sinnvoll, da Endkunden deren Online-Markenauftritt mit der Erwartungshaltung besuchen, dass dort das gesamte Sortiment auffindbar ist. Ferner sollten die Artikel ohne Medienbruch bestellbar sein, da ansonsten der Zeitverlust aus Sicht der Endkunden zu hoch ist.

Markus Fost: Welche sinnvollen strategischen Optionen stehen den produzierenden Herstellern hinsichtlich des Online-Markenauftritts zur Verfügung?

Marcus Diekmann: Der Online-Handel sollte im heutigen Zeitalter mehrschichtig betrachtet werden. Daher reduzieren wir diese Frage auf die eigene Herstellerwebseite und klammern Marktplätze wie Amazon und eBay bewusst aus. Auf der eigenen Seite bleibt also die klassische Visitenkartenfunktion, in der die Philosophie des Unternehmens vorgestellt wird. Das heißt, es wird nur dargestellt, was das Unternehmen macht, ohne dass Produkte dargestellt werden. Dies ist jedoch eine veraltete Denkrichtung, die meiner Meinung nach nicht mehr zeitgemäß ist. Heutzutage macht es vielmehr Sinn, Marken mit Produkten in Verbindung zu bringen und die Markenkraft durch eine perfekte Produktinszenierung zur Geltung zu bringen. Hieraus resultieren für mich drei strategische Optionen:

1. Showroom (ohne Verkaufsfunktion)

2. Flagshipstore (mit Verkaufsfunktion, jedoch ohne Preisaggressivität unter Einhaltungdes unverbindlich empfohlenen Verkaufspreises)

3. Vertikalisierung (Etablierung eines herstellereigenen Absatzkanals, auf dem zu Marktpreisen distribuiert wird)

Die Vertikalisierung stellt für die meisten Hersteller heutzutage noch ein zu großes Risiko dar. Esprit ist in der Textilbranche diesen aggressiven Weg gegangen. Auch WMF ist dabei, den Online-Handel aggressiver zu forcieren. Die Entscheidung, online „radikaler“ vorzugehen, setzt voraus, dass stationäre Umsatzeinbrüche bewusst in Kauf genommen werden und durch eigene Online-Aktivitäten kompensiert werden.

Markus Fost: Das Internet sorgt für vollkommenere Märkte, vorwiegend durch eine hohe Preistransparenz. Demzufolge differenzieren sich viele Online-Anbieter primär über den Preis. Dies stellt insbesondere für Premium-Hersteller ein großes Problem dar.

Marcus Diekmann: Richtig für die meisten Branchen und Hersteller, allerdings liegt dies rückblickend daran, dass Anbieter immer versucht haben, das Sortiment schnell onlinefähig zu machen. Nach dem Motto: „Wenn Du es online kaufst, bekommst Du es günstiger.“ – Was die Motivation für einen Online-Kauf darstellen sollte. Dies hat in erster Linie nichts mit der Preistransparenz zu tun. Die Motivation hätte von Beginn an andere Mehrwerte wie Convenience-Faktoren beinhalten können. Auch heutzutage machen neue Warengruppen wie z. B. Möbel selbigen Fehler, sich wieder über den Preis zu differenzieren. Gleichzeitig achten die Hersteller nicht darauf, welche Händler die Produkte online distribuieren dürfen, wodurch kurzfristig immer ein Überangebot im Internet entsteht. Es gibt allerdings auch ein positives Gegenbeispiel: Zum Beispiel hat es der Kofferhersteller Rimowa geschafft, auch im Internet keine Preiserosionen zuzulassen.

Markus Fost: Welche Methoden empfehlen Sie Markenherstellern, um Preiserosionen zu vermeiden?

Marcus Diekmann: Dies gestaltet sich in der Tat schwierig, da es aus meiner Sicht immer ein „schwarzes Schaf “ seitens der Händler geben wird, das den Preis nach unten drückt. Auch hier sei darauf zu verweisen, dass ein Markenhersteller sich genau aussuchen sollte, mit welchen Händlern er in welchen Absatzkanälen zusammenarbeitet.

Markus Fost: Hinsichtlich der Distributionsstrategien führt die Omnipräsenz auf allen Kanälen zu einem erhöhten Preis- und Margendruck. Um diesen zu kompensieren, stehen Online-Offline-Pricing- sowie Produktportfolio-Strategien zur Verfügung. Marktplätze sorgen jedoch für weiter zunehmende Transparenz, sodass manchen Markenherstellern letztlich nur der Schritt in eine selektive Distribution bleibt.

Marcus Diekmann: Sehe ich genauso. Kurzfristig denke ich, dass für viele Hersteller eine Omnipräsenz die richtige Strategie sein dürfte, um eine hohe Durchdringung auf allen Kanälen zu erreichen. Langfristig denke ich, dass eine selektive Distribution die richtige Wahl im Hinblick auf die Sicherung der Deckungsbeiträge ist. Die Schwierigkeit liegt bei letzterer Strategie jedoch in der rechtlichen Ausgestaltung.

Markus Fost: Einige Markenhersteller, wie z. B. adidas und Kettler, haben kürzlich ein selektives Vertriebssystem zur Markenpflege eingerichtet, insbesondere, um dem Preisverfall aus Marktplätzen wie Amazon entgegenzutreten. Das Bundeskartellamt prüft aktuell die Zulässigkeit des Selektivvertriebs von adidas. Dieser Präzedenzentscheidung wird von vielen Herstellern mit Spannung entgegengesehen. Mit welchem Ausgang rechnen Sie und welche Option schlagen Sie kleineren Herstellern vor, die temporäre Umsatzeinbrüche – das Risiko, dass die Einführung eines solchen Systems mit sich bringt – nicht eingehen können?

Marcus Diekmann: Die ersten Gerichtsurteile aus anderen Fällen lassen mich eher vermuten, dass die Einführung eines selektiven Vertriebssystems, das den Ausschluss von Marktplätzen beinhaltet, nicht zulässig sein wird. Was sich zuletzt immer wieder zeigte, ist, dass es eben schwierig ist, etwas zurückzufahren, was bereits erlaubt wurde. Im Falle adidas wurde bereits zu vielen Händlern erlaubt, online zu verkaufen, sodass ich davon ausgehe, dass es für adidas nicht möglich sein wird, das Marktplatzverbot für Händler durchzusetzen. Ich gehe eher davon aus, dass adidas hiermit einen Präzedenzfall mit der entsprechenden Aufmerksamkeit erreichen möchte. Ich denke aber, dass Unternehmen, die seit jeher nur selektive Absatzwege eingeschlagen haben, auch online bessere Chancen haben, bei ihren Produkten derartige Marktplatzverbote durchzusetzen, als die Marken, die auf allen Kanälen unterwegs waren. Hierbei denke ich gerade an die langfristige Tendenz. Das heißt, auch wenn der adidas-Präzedenzfall negativ ausgeht, gehe ich davon aus, dass sich langfristig selektive Vertriebsmodelle durchsetzen werden und an dieser Stelle auch juristisch nachgesteuert wird.

Quelle: Markus Fost, E-Commerce Strategien für produzierende Unternehmen, Springer-Gabler (2014)

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