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Strategische Optionen für den Online-Markenauftritt – Interviewreihe 2 von 4 mit Prof. Dr. Dirk Morschett

von Markus Fost am 29. Dezember 2014

Univ.-Professor Dr. Dirk Morschett ist Professor für Management an der Universität Fribourg/Schweiz. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich des Internationalen Managements sowie des Handelsmanagements, insbesondere Online-Handel, Betriebstypen und Retail Branding. Zu diesen Themen hat er zahlreiche Bücher und Artikel verfasst. Daneben ist er auch als Referent, Moderator und Berater in diesen Themenbereichen aktiv.

Markus Fost: Endverbraucher erwarten heutzutage das gesamte Produktportfolio eines Herstellers auf deren Online-Markenauftritt und möchten neben einer stationären Händlersuche auch online möglichst ohne Medienbruch zum Kaufabschluss gelangen.

Prof. Dr. Dirk Morschett: Hierzu stimme ich zu 100 % zu. Zumindest als zusätzliche Option sehe ich dies neben der stationären Händlersuche als notwendig an. Zwar ist es prognostisch in den nächsten fünf bis zehn Jahren so, dass der Kunde in den meisten Fällen in den stationären Laden gehen will, aber sich eben wundern würde, wenn nicht die Online-Kaufmöglichkeit geboten werden würde. Deswegen muss ein Kaufabschluss auch online medienbruchfrei möglich sein.

Markus Fost: Welche sinnvollen strategischen Optionen stehen den produzierenden Herstellern hinsichtlich des Online-Markenauftritts zur Verfügung?

Prof. Dr. Dirk Morschett: Die detaillierte Produktinformation auf der Einzelartikelebene ist unabdingbar. Ein Online-Markenauftritt des Herstellers muss also dem Informationsbedürfnis des Konsumenten vollumfänglich gerecht werden. Die Frage, die sich stellt, ist daher nur noch, wie das Verkaufen auf dem Online-Markenauftritt des Herstellers passieren soll. Hierzu gibt es aus meiner Sicht zwei große Optionen: 1)durch den Hersteller direkt oder 2) durch einen Händler. In der Basis erwartet man von einem Hersteller einen Nischen- oder Monomarkenanbieter mit dem gesamten Sortiment. Die Erwartungshaltung der Konsumenten ist aus meiner Sicht nicht auf Anhieb, einen Outlet oder einen discountierenden Betriebstypen als Hersteller anzubieten, obwohl dies durchaus „nice to have“ wäre. Die Basiserwartung, die ein Hersteller erfüllen muss, ist ein vollständiges Sortimentsangebot zu einer Preisgestaltung im Sinne des UVPs zu einem „Normalpreis“.

Markus Fost: Das Internet sorgt für vollkommenere Märkte, vorwiegend durch eine hohe Preistransparenz. Demzufolge differenzieren sich viele Online-Anbieter primär durch den Preis. Dies stellt insbesondere für Premium-Hersteller ein großes Problem dar.

Prof. Dr. Dirk Morschett: Stand heute ist dies sicherlich so. Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob dies die Zukunft ist, welche sich nachhaltig darstellen lässt. Auch wenn Pure-Player keine Ladenlokale finanzieren müssen, sind deren Online-Marketingkosten durch Keywords etc. durchaus hoch, sodass ich denke, dass sich dieses preisaggressive Vorgehen der Pure-Player eher abmildern wird. Die aktuelle Preisdifferenzierung sehe ich daher primär als temporäres Phänomen, bis sich der Markt eingeordnet hat. Es wird dann auch weiterhin Billiganbieter geben, aber eben auch mehrere Servicedienstleister, die mit einem breiten Sortiment die Kundenbedürfnisse befriedigen, die in Warenkörben denken und nicht zu fünf verschiedenen Online- Spezialisten gehen, um fünf Produkte zu bestellen. Diese Kunden werden bevorzugt auch online dorthin gehen, wo sie bereits registriert sind und entsprechende Konditionen vereinbart wurden. Daher werden auch online weiterhin Händler, welche den gesamten Warenkorb anbieten können, für den Endkunden attraktiver sein als Hersteller, die nur über ein begrenztes Produktportfolio verfügen.

Markus Fost: Welche Methoden empfehlen Sie Markenherstellern, um Preiserosionen zu vermeiden?

Prof. Dr. Dirk Morschett: Ein Punkt ist sicherlich die Preisgestaltung. Hier wäre eine Möglichkeit, mit Preisen zu arbeiten, die dem Handel auf direktem Wege keine sehr großen Nettomargen ermöglichen, sondern bei denen der Fachhandelspartner seinen Bonus über Umwege wie z. B. Rückvergütungen, Schulungsmaßnahmen, Werbekostenzuschüsse etc. erhält. Mit einem solchen System können Hersteller quasi Graumärkte, auf denen Produkte deutlich günstiger angeboten werden, vermeiden. Luxushersteller wie Rolex müssen dieses Thema weltweit im Griff haben. Daher unterscheidet sich z. B. der Einkaufspreis eines Rolex-Konzessionärs in Kolumbien nicht sehr von dem eines Händlers in der Schweiz. Dieser bekommt hinterher einen höheren Ausstellungsrabatt, Mengenrabatt, Werbekostenzuschüsse etc. So kann der Händler im Endeffekt zwar günstiger verkaufen, der Hersteller hat die Preispolitik jedoch stärker in der Hand, als wenn diese direkt über den Einkaufspreis gesteuert wird. Eine weitere Möglichkeit wäre eine stärkere Exklusivität hinsichtlich der Distribution, sodass ein Hersteller nur noch Händler beliefert, die gewisse Qualitätskriterien erfüllen. Darüber hinaus halte ich es für sinnvoll, wenn Hersteller den Fachhandel hinsichtlich Tools, Instrumenten, Konfiguratoren, Logistiklösungen etc. unterstützen, sodass dieser wettbewerbsfähiger auf dem Online-Markt sein kann. Beispielsweise sollte der Händler auf die Lagerbestandsdaten des Herstellers zugreifen können, um verlässliche Lieferterminaussagen treffen zu können. Optional sollte den Händlern auch Drop-Shipping angeboten werden. Diese unterstützenden Services eines Herstellers können sich für ihn auch in puncto Preiserosionen positiv auswirken.

Markus Fost: Hinsichtlich der Distributionsstrategien führt die Omnipräsenz auf allen Kanälen zu einem erhöhten Preis- und Margendruck. Um diesen zu kompensieren, stehen Online-Offline-Pricing- sowie Produktportfolio-Strategien zur Verfügung. Marktplätze sorgen jedoch für weiter zunehmende Transparenz, sodass manchen Markenherstellern letztlich nur der Schritt in eine selektive Distribution bleibt.

Prof. Dr. Dirk Morschett: Dieser These stimme ich zu, jedoch denke ich nicht, dass letztlich nur der Schritt in eine selektive Distribution bleibt. Das Thema selektive Distribution sehe ich allerdings als sehr interessante Distributionsstrategie. Es ist sicherlich eine nicht ganz risikoarme, jedoch durchaus hilfreiche Strategieoption. Meine Grundannahme ist ja, dass am Ende des Tages 80 % des Umsatzes stationär bleiben werden, während 20 % des Umsatzes über Online-Kanäle abgewickelt werden. Der 20 Prozent-Online-Anteil schmerzt jedoch den 80 Prozent-Offline-Anteil über diesen Anteil hinaus in puncto Preisgestaltung, Margendruck etc. Eine selektive Distribution sorgt mit einer gewissen Exklusivität bei den Anbietern auch dafür, dass die Preiserosionen durch den Online-Handel zurückgehen und der Offline-Handel dadurch hinsichtlich seiner Margen stabilisiert wird. Ich sehe in der Summe viele Vorteile in einer selektiven Distributionsstrategie und denke, dass wir die Einführung einer solchen auch vermehrt beobachten werden.

Markus Fost: Einige Markenhersteller, wie z. B. adidas und Kettler, haben kürzlich ein selektives Vertriebssystem zur Markenpflege eingerichtet, insbesondere, um dem Preisverfall aus Marktplätzen wie Amazon entgegenzutreten. Das Bundeskartellamt prüft aktuell die Zulässigkeit des Selektivvertriebs von adidas. Dieser Präzedenzentscheidung wird von vielen Herstellern mit Spannung entgegengesehen. Mit welchem Ausgang rechnen Sie und welche Option schlagen Sie kleineren Herstellern vor, die temporäre Umsatzeinbrüche – das Risiko, dass die Einführung eines solchen Systems mit sich bringt – nicht eingehen können?

Prof. Dr. Dirk Morschett: Einer reinen Diskriminierung des Online-Kanals wird sicherlich nicht stattgegeben werden. Daran jedoch Qualitätskriterien zu knüpfen, die dann de facto einen großen Teil des Online-Handels ausschließen, wird meiner Einschätzung nach rechtlich möglich sein. Ich denke auch, dass adidas hinsichtlich der Präzedenzentscheidung in letzter Instanz damit durchkommen wird. Während es einem Hersteller wie adidas wohl darum gehen wird, die Marktplätze später direkt zu beliefern, geht es vielen anderen Herstellern, die sich für die selektive Distribution entscheiden, primär darum, dass der Online-Handel ihre Produkte an feste Qualitätskriterien, wie beispielsweise das Vorhandensein eines Markenshops, knüpft. Hinsichtlich der Größe eines Herstellers liegt der Vorteil darin, dass ein großer Player wie adidas, der sich diesen Rechtsstreit auch finanziell leisten kann, mit seinem Präzedenzfall in ca. einem halben Jahr Rechtssicherheit schaffen wird. Die Frage ist, wie dann damit ein kleinerer Hersteller umgeht. Welches Risiko hinsichtlich temporärer Umsatzeinbrüche bei der Einführung einer selektiven Distributionsstrategie tatsächlich besteht, müssen Hersteller präzise kalkulieren können. Darüber hinaus hängt dies auch davon ab, wie streng die Qualitätskriterien der selektiven Distribution sein sollen. Da diese der Hersteller selbst bestimmt und auch stufenweise höher setzen kann, determiniert er damit auch das konkrete Umsatzrisiko durch den Ausschluss der Händler, die die Qualitätskriterien nicht erfüllen. Der übrigen Händlerschaft dürfte sich eine selektive Distributionsstrategie recht gut verkaufen lassen. Zwar werden auch diese hinsichtlich ihrer Absatzart und ggf. auch der Absatzwege beschränkt, jedoch kommt dies den gesamten Händlern zugute, indem es deren Margen insgesamt erhöht und eine Marke von übermäßigen Preiserosionen außen vorhält.

Quelle: Markus Fost, E-Commerce Strategien für produzierende Unternehmen, Springer-Gabler (2014)

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