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E-Commerce Geschäftsmodelle zwischen Handel und Hersteller – Interviewreihe 1 von 4 mit Prof. Dr. Dirk Morschett

von Markus Fost am 22. Dezember 2014

Univ.-Professor Dr. Dirk Morschett ist Professor für Management an der Universität Fribourg/Schweiz. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich des Internationalen Managements sowie des Handelsmanagements, insbesondere Online-Handel, Betriebstypen und Retail Branding. Zu diesen Themen hat er zahlreiche Bücher und Artikel verfasst. Daneben ist er auch als Referent, Moderator und Berater in diesen Themenbereichen aktiv.

Markus Fost: Kooperative E-Commerce-Geschäftsmodelle zwischen Handel und Hersteller stellen die einzige handelsverträgliche E-Commerce-Strategieoption für substituierbare, produzierende Unternehmen mit einer stationären Handelsstruktur dar, die nicht mit dem Risiko behaftet ist, temporär massiv Umsatz im stationären Handel zu verlieren.

Prof. Dr. Dirk Morschett: Dieser These stimme ich vollumfänglich zu. Es muss in jeder E-Commerce-Strategie sichergestellt werden, dass der Umsatz im stationären Handel nicht gefährdet wird. Vor dem Hintergrund der 80/20-Verteilung des Umsatzes zwischen dem stationären Handel und dem Online-Handel müssen Hersteller auf ein gesundes Verhältnis der Chancen zum Risiko achten. Eine Distributionsstrategie, die am Handel vorbei geht, halte ich für sehr risikoreich. Daher plädiere ich eindeutig für eine kooperative E-Commerce-Strategie. Eine Provisionierung des Handels für Direktlieferungen des Herstellers zum Händler halte ich nur noch am Rande für eine kooperative E-Commerce-Strategie. Ich denke, dass damit das Vertrauen in eine solche Lösung und ihre Wertschätzung nicht gewonnen werden könnten.

Markus Fost: Welches E-Commerce-Geschäftsmodell schlagen Sie einem Hersteller aus einer Branche mit einem niedrigeren E-Commerce-Reifegrad vor, die von einer stationären Fachhandelslandschaft dominiert wird?

Prof. Dr. Dirk Morschett: Ich denke, dass genau in Branchen mit niedrigem E-Commerce-Reifegrad die Chance groß ist, den Handel mit Multi-Channel-Ansätzen zu unterstützen. Der Charme darin, stationäre Händler im Online-Handel zu unterstützen, ist, dass die Artikel dort i. d. R. nicht preisaggressiv angeboten werden, wie das bei den Pure-Playern der Fall ist. Man sollte als Hersteller den Handel auch hinsichtlich E-Commerce-Absatzwegen unterstützen.

Markus Fost: Gibt es aus Ihrer Sicht neben kooperativen E-Commerce Geschäftsmodellen weitere strategische Optionen, die ein Hersteller in Erwägung ziehen kann, ohne zugleich ein unkalkulierbares Risiko einzugehen, temporär massive Umsatzrückgänge durch stationäre Auslistungen hinzunehmen?

Prof. Dr. Dirk Morschett: Man kann langsam einsteigen, beispielsweise über einen Ersatzteilshop oder einen begrenzten Ausschnitt aus dem Sortiment. Dadurch kann ein Hersteller Daten zu den Endkunden sammeln und Prozesse einüben, um sich bereit zu machen, in den Direktvertrieb einzusteigen, sofern die Entwicklung anders eintrifft, als ich es zum heutigen Tag einschätze. Sollte sich dann in drei bis vier Jahren herausstellen, dass der stationäre Handel doch einen wesentlich höheren Anteil an den Online-Handel verloren hat, sind die Hersteller zumindest hierfür gewappnet. Exklusive Online-Markenshops, die vom Handel betrieben werden, sind daneben eine weitere Option, die sich aus meiner Sicht weitestgehend konfliktfrei und risikoarm einsetzen lassen. Diese Möglichkeit sollten produzierende Unternehmen nutzen, um ihre Marke zu präsentieren und die Online-Sichtbarkeit zu erhöhen.

Markus Fost: Wenn Sie ein zusammenfassendes Resümee ziehen, welche strategischen Handlungsoptionen haben sich bei Markenherstellern mit einer vorwiegend stationär ausgeprägten Handelslandschaft als besonders erfolgreiche E-Commerce- Strategie erwiesen?

Prof. Dr. Dirk Morschett: Wichtig ist es, dass Hersteller Einfluss und Druck auf den Handel ausüben, sich schnellstmöglich in die Richtung des Online-Handels zu bewegen. In der Tat stelle ich fest, dass der stationäre Handel in einigen Branchen hinsichtlich der Affinität zum Online-Handel sehr träge ist. Ferner ist es wichtig, dass sich ein Hersteller des Risikos hinsichtlich Pure-Player bewusst ist und sich hier individuell mit dem jeweiligen Konzept beschäftigt. Neben Amazon und eBay gibt es zahlreiche Pure-Player, die kommen und gehen. Nur wenige davon etablieren sich nachhaltig. Hier gilt es, als Hersteller auf die richtigen Pferde zu setzen, um nicht am Ende an der Restrukturierung eines Pure-Players beteiligt zu werden. Zudem werden Pure-Player als „Feind“ des stationären Händlers wahrgenommen. Hersteller sollten daher versuchen, den stationären Händler als Multi-Channel-Händler zu entwickeln.

Markus Fost: Mit welchen Risiken sehen Sie produzierende Markenhersteller hinsichtlich einer E-Commerce-Strategie konfrontiert und wie würden Sie diesen entgegentreten?

Prof. Dr. Dirk Morschett: Aus meiner Seite ist die Preisgestaltung auf der Online-Markenpräsenz des Herstellers ein ernst zu nehmendes Risiko. Wenn ein Hersteller hier aggressive Preise angibt, dann wird er damit seine stationären Händler verärgern. Wenn er hingegen einen Mondpreis angibt, was einige UVPs2 darstellen, dann wird dies den informierten Kunden verärgern. Ein weiteres Risiko sehe ich in der richtigen Partnerwahl innerhalb der Pure-Player-Welt. Hier haben sich nur wenige Anbieter etablieren können, während die Mehrzahl heute nicht mehr existent am Markt ist. Wenn Hersteller hier den falschen Partner wählen, besteht neben dem Risiko des Geldverlustes auch noch das Risiko der Abstrafung aus dem stationären Handel in Form einer Auslistung. Das Hauptrisiko liegt allerdings im bestehenden Handel, der sehr genau analysiert, was ein Hersteller tut. Deswegen dürfen sich Hersteller zwar nicht große Chancen mit Pure-Playern entgehen lassen, müssen hier jedoch die richtigen Partner wählen.

Markus Fost: Welche Tipps und Empfehlungen können Sie produzierenden Unternehmen hinsichtlich deren E-Commerce-Strategie abschließend mit auf den Weg geben?

Prof. Dr. Dirk Morschett: Mein Tipp ist es, bei allem Hype für den E-Commerce- Handel nicht den klaren Blick darauf zu verlieren, dass auch in Zukunft die stationären Händler den größten Teil des Handelsumsatzes darstellen werden.

Quelle: Markus Fost, E-Commerce Strategien für produzierende Unternehmen, Springer-Gabler (2014)

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